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Max Wendl (1904-84) – Ein Expressionist der zweiten Generation

Der Münchner Künstler Max Wendl gehört wie beispielsweise der Mönchengladbacher Hans Lünenborg oder die Aachenerin Maria Katzgrau, der sogenannten „verschollenen Generation“ an. Neben Erich Büttner, Paul Vahrenhorst, Kurt Laubner, Manfred Henninger u.a. waren diese Künstler vor dem Zweiten Weltkrieg zu jung, um Karriere zu machen, nach dem Kriegsdienst zu alt, um an die aktuelle Kunstszene anknüpfen zu können. Dennoch hinterließ diese - den Expressionismus weiterentwickelnde - Generation ein umfangreiches, anspruchsvolles und qualitativ hochwertiges Oeuvre, das auf dem besten Weg ist, von Galerien und Museen entdeckt zu werden. Max Wendl begann, als knapp 20-jähriger Künstler, zunächst die Tendenzen der Neuen Sachlichkeit zu verarbeiten. Werke wie „Bursche mit Rind I und II“ aus dem Jahr 1923 zeugen davon.

Doch der Einfluss seines Lehrers Johan Thorn-Prikker ab 1926 an den Kölner Werkschulen zog ihn schnell in den Bann des niederländischen Symbolismus eines Jan Toorop und frühen Prikker, der auch Wilhelm Teuwen zunächst prägte. Wendls Kreuzwegstationen hinter Glas aus den späten 1920er-Jahren mit ihren überlängten Figuren, den sehr kleinen Köpfen und langen Gewändern in geheimnisvoller Umgebung, können dieses künstlerische Umfeld nicht leugnen. Die zahlreichen Blattgoldeinlagen unterstreichen nicht nur das religiöse Thema. Sie sind auf das Handwerk des Vaters zurückzuführen. Max Wendls Vater war Vergoldermeister, befreundet mit Franz von Stuck. Er fertigte zahlreiche Vergoldungen für die Rahmen Stuck’scher Werke. Auch im karikativen Bild eines Kammermusik-Trios hinter Glas setzt der Sohn Max meisterhaft Blattgold ein.

Ende der 1920er-Jahre in Köln, sog Wendl die künstlerischen Tendenzen seiner Zeit in sich auf. Die geheimnisvolle Darstellung eines Fabrikgebäudes im Nachthimmel erinnert sogar an Franz Radziwills magischen Realismus. Die expressive und kritische Darstellung des Menschen als Marionette erscheint in drei noch erhaltenen Gouachen von 1930 und lässt bereits Böses vorahnen. Sie bleiben jedoch die Ausnahme.

Bilder wie die „Allee“ von 1933 zeigen unverkennbar die Hinwendung zum Expressionismus. Als einer der entarteten Künstler erhält auch Wendl 1935 Malverbot. Sein Werk „Jäger im Boot“ wird 1937 aus der Städtischen Galerie München entfernt. Er wird zum Kriegsdienst vor allem nach Belgien und Frankreich eingezogen und malt zahlreiche Aquarelle, unter anderem in Verdun und Namur.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und amerikanischer Kriegsgefangenschaft kann Wendl dank seiner Glasmalerausbildung bei van Treeck in München mit handwerklicher Ausführung von Kirchenfenster-Entwürfen anderer Künstler Geld verdienen.

Durch den enormen Bedarf an neuen Kirchenfenstern der Nachkriegszeit begann sich ab den 1950er-Jahren für zahlreiche Künstler ein Auftragsgebiet zu öffnen, das Jahrzehnte lang anhielt. Auch Max Wendl hatte die Gelegenheit, Fenster für neun Kirchen um München und in Ingolstadt in Blei- und Betonverglasung zu entwerfen. Diese Werke, vor allem für Alt-Lochham bei München und St. Pius in Ingolstadt, zeigen abermals den Einfluss Johan Thorn Prikkers und seiner bahnbrechenden Fenster für die Dreikönigenkirche in Neuss und St. Georg in Köln. Wendl führt seine musivische Glasmalerei mit monumentalen Figuren selbst aus.

Im Gegensatz zu den Dickglasstücken in Beton sind die kleinteiligen Echtantikstücke musivisch zusammengesetzt und von Bleiruten gehalten. Nur wenig Schwarzlot ist eingesetzt für Gesichter und Hände. In seinen Glasmalereien herrscht eine materialgerechte Komposition vor wie sie zu dieser Zeit üblich war und Künstlerkollegen wie Georg Meistermann, Hermann Gottfried, Wilhelm Buschulte, Joachim Klos, Maria Katzgrau, und viele andere anwendeten.

Eine Mischung aus Figürlichkeit und Geometrie beherrscht die Glasmalerei der 1950er- und -60er-Jahre. Zwischen Bildhaftigkeit biblischer Geschichten und Abstraktion der Nachkriegszeit versuchten die Künstler, Kirchenfenster zu entwerfen, die sowohl dem Klerus als auch ihrem individuellen Ausdruck gerecht wurden. Auch Max Wendl befand sich in diesem schwierigen Zwiespalt.

Bereits zu Beginn der 1940er-Jahre verspürt der Künstler das Bedürfnis, sich aufs Land zurückzuziehen. Er zieht nach Hub bei Prien am Chiemsee, wo er mit seiner zweiten Ehefrau, der Geigerin Annemarie Knapp, neu beginnt. Zahlreiche Akte und Landschaftsbilder entstehen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg, „Reisedokumente“ aus Croix, den Ardennen, Mallorca und immer wieder vom Chiemsee, Segelboote, der Raddampfer „Fessler“.

Seine Malerei wird lockerer, malerischer, im Gegensatz zu den frühen Werken mit klar umrissener Kontur und Flächengliederung. Die Aktdarstellungen und Bilder wie „Die Geigerin“ oder „Die Vögel“ lassen eine Beschäftigung mit Werken von Max Ernst und Picasso erkennen. Wendls Farbigkeit ist nie schrill. Er bevorzugt kräftige Erdtöne in harmonischem Einklang.

Als „gebranntes Kind“ malt Wendl wie viele Kollegen seiner Generation nach dem Krieg keine sozialkritischen oder gar politischen Bilder mehr. Er konzentriert sich auf seine Umgebung, die Menschen, Tiere und die Natur, die sein Leben bestimmen. Das Nachkriegswerk ist autobiografisch. In den letzten 10 Jahren seines Lebens wird er in seiner Abstraktion immer fragmentarischer. Er erblindet und stirbt 1984 in München, nachdem ihm die dortige „Galerie an der Treppe“/München-Laim noch kurz vor seinem Tod zwei Einzelausstellungen widmet. Wendls kraftvoll expressive Malerei besonders der 1950er- und -60er-Jahre stellt innerhalb seines Oeuvres sicherlich einen Höhepunkt dar. Seine gesamte künstlerische Entwicklung orientiert sich an der Auseinandersetzung mit den Tendenzen der klassischen Moderne und ihrer Weiterentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Ausbildung zur angewandten Kunst ließ ihn neben der klassischen Malerei viele Techniken ausprobieren, vom selbst entworfenen und geknüpften Teppich über die Glasmalerei bis hin zu Intarsienentwürfen für die Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau, sowie Kinderbuch-Illustrationen. Sein umfangreich erhaltenes Gesamtwerk befindet sich in privaten Sammlungen und ist für zukünftige, sehr wünschenswerte Ausstellungen zugänglich.

Nachtrag:
Der Nachlass des Künstlers wurde von Jürgen Knapp bearbeitet. Im Jahr 2011 entstand eine Publikation von Beate Marks-Hanßen: Max Wendl 1904-1984. Zeugnisse künstlerischer Vielfalt. Malerei, Grafik, Glaskunst, Entwürfe. Mit Beiträgen von Angela Schiffhauer und Ulrike Weinert ( Förderkreis Expressiver Realismus e.V. München, Neue Monografische Reihe, Band 4, Hrsg. Ingrid von der Dollen). Kat-Verlag, Bad Honnef 2011
 

Dr. Iris Nestler
(Kunsthistorikerin)

Text und Fotos sind urheberrechtlich geschützt.
Textrechte bei der Autorin; Bildrechte bei Dieter Nestler

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